Information auf Augenhöhe
Das Online-Projekt „#uploading_holocaust“ ist ein Stück digitale Erinnerungskultur, das auf Youtube-Videos junger Israelis basiert. Entstanden sind diese in polnischen Konzentrationslagern; die Orte der Vernichtung. Im Mittelpunkt steht die Frage: „Wie geht Erinnern heute?“ Interaktionsmöglichkeiten für deutsche Jugendliche ermöglichen die Auseinandersetzung mit den bundesdeutschen Verhältnissen und Stimmungslagen – von Jugendlichen für Jugendliche, also auf Augenhöhe.
Das Projekt „#uploading_holocaust“ ist in der Kategorie „Wissen und Bildung“ für den Grimme Online Award 2017 nominiert. Die Autorin des Projekts, Hannah Kappes, die als Redakteurin und Junior Producerin bei gebrueder beetz filmproduktion arbeitet, spricht im Interview über die Motivation, das Projekt ins Leben zu rufen, und die damit verbundenen Ziele sowie über die bisherige Resonanz der Rezipienten.
Was war die Motivation das Projekt zu realisieren?
Auf einem internationalen Festival haben wir zwei junge israelische Regisseure getroffen, die einen Dokumentarfilm planten, der zu 100% aus YouTube-Videos von israelischen Jugendlichen bestehen sollte. In den Videotagebüchern halten die Schüler ihre Klassenfahrt nach Polen in ehemalige Konzentrationslager fest. Die Regisseure Udi Nir und Sagi Bornstein zeigten uns einen ersten Trailer, und der sehr persönliche und authentische Ton der Youtube-Videos hat uns sofort begeistert. Wir haben daraufhin nicht nur zusammen am Dokumentarfilm gearbeitet, sondern wollten dieses Material auch für deutschsprachige Jugendliche zugänglich machen und sie zu ihrer Haltung zum Thema Holocaust befragen. Deshalb entwickelten wir die Idee fürs Webprojekt und holten den deutschen Youtuber Jakob Gentsch dazu, der als Vermittler zwischen den israelischen und deutschen Jugendlichen. Zudem haben wir für die Entwicklung der interaktiven Umfrage insbesondere mit der Agentur für Bildung in Berlin zusammengearbeitet.
Was sind die Ziele von #uploading_holocaust?
Ziel ist es, Jugendliche in einem interaktiven Fragebogen zu fragen, wie sie heute mit der Erinnerung an den Holocaust umgehen wollen. Dazu zeigen wir ihnen Material der gleichaltrigen israelischen Jugendlichen, die zur Reflexion und Diskussion anregen sollen. Die Erfahrungen von Jugendlichen sollen so an Jugendliche auf Augenhöhe vermittelt werden. Die Umfrage ist nicht als empirische Studie, sondern als Bildungstool und Diskussionsgrundlage geeignet. Deshalb wird sie unter anderem an Schulen zur Aufklärung über den Holocaust verwendet. Wir wollen auch sehen, ob das Thema bei der mittlerweile vierten Generation noch auf Interesse trifft und wie die Schüler mit diesem Thema umgehen und darüber Denken. Unser Wunsch ist es, dass das Projekt dieses ernste Thema auf einer anderen Ebene anspricht und für mehr Verständnis sorgt.
Wie machen Sie auf das Projekt aufmerksam?
Zu Beginn des Projekts haben wir eine Kampagne in Fernsehen, Radio, Online-Medien und sozialen Netzwerken geschaltet, vor allem über unsere Partner-Sender BR, rbb und ORF, mit denen das Projekt realisiert wurde. Dadurch erhofften wir uns eine möglichst große Reichweite. Zu unserem eigenen Überraschen ist „#uploading_holocaust“ inzwischen bis in die USA geschwappt. Zusätzlich sind wir aktuell mit Jakob Gentsch auf Tour und stellen unser Konzept an verschiedenen Orten vor.
Wie sieht die Zukunft des Projektes aus?
Momentan ist geplant, dass „#uploading_holocaust“ mindestens fünf Jahre online zur Verfügung steht. Nach einem Jahr soll eine Gesamtauswertung vorgenommen werden. Diese ist ist für Mitte November vorgesehen. Der Abschlussbericht soll medienübergreifend stattfinden und veröffentlicht werden. Zum einem wird er selbstverständlich auf unserer Webseite, aber auch auf anderen Webseiten, Broschüren und Zeitungen bekannt gegeben. Auf unserer Webseite wird der gesamte Bericht zur Verfügung stehen. Bei den anderen Veröffentlichungen soll der Bericht auf die Interessen der Rezipienten angepasst werden.
Warum haben Sie sich dazu entschlossen, das Projekt online zu publizieren?
Der wichtigste Grund ist natürlich unsere Zielgruppe. Das Internet ist das von Jugendlichen am häufigsten benutzte Medium. Wir wollten mit einem offenen Programm arbeiten. Dies bietet den Vorteil, dass es ohne Registrierung frei zugänglich und kostenlos ist. Es sollte also barrierefrei sein. Die gebündelte Darstellung ist dabei ein weiterer Gewinn. Das Internet bietet dafür auch viel mehr Optionen als eine Broschüre, wie das Verschmelzen von Elementen. Dadurch ist es möglich, die YouTube-Videos mit der Live-Auswertung der Fragen zu kombinieren. Außerdem ist es uns gelungen, dass die Teilnehmer mit israelischen Jugendlichen in Kontakt treten können.
Was hat sie persönlich am meisten bewegt?
Ich werde nie vergessen, wie eine Schülerin vor mir geweint hat. Sie war unglaublich bewegt von der israelischen Schülerin, welche im Video einen Text während einer Zeremonie vorgetragen hat. Das hat ganz deutlich gezeigt, dass es uns gelungen ist, mit der Mischung aus Bewegtbildern und einer einfachen Form der Interaktion große Emotionen auszulösen. Zu wissen, dass wir Schüler mit dem Projekt bewegen und zum Nachdenken anregen, begeistert uns alle.
Das Interview führten Nina Gollwig und Anita Wichert.
Um das Video anzuzeigen, ist ein Verbindungsaufbau zu YouTube erforderlich. Durch YouTube werden bei diesem Vorgang auch Cookies gesetzt. Details entnehmen Sie bitte der YouTube-Datenschutzerklärung.
Die Interviews mit den Nominierten und die Videos sind im Rahmen eines Medienpraxis-Seminars an der Universität zu Köln entstanden.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!