Die Kunst der Überwachung
Wie wohnt wohl Mark Zuckerberg? Der Mann, der uns alle verführt, Privates auf Facebook preiszugeben, schottet sich selbst ab. Hat sogar um sein eigenes Haus herum vier Grundstücke gekauft, um kontrollieren zu können, wer dort einzieht. In der Ausstellung „No Secrets!“ der Münchner Eres Stiftung wohnt Zuckerberg unter einer Käseglocke. Die Installation mit dem Modell seines Hauses von der Künstler- und Aktivistengruppe TCC ist umgeben von einigen Bildschirmen, die an Beispielen erläutern, wie und wo jeder Einzelne beobachtet wird und was aus den gesammelten Daten geschlossen werden kann.
In neun künstlerischen Positionen beschäftigt sich die kleine, aber sehr sehenswerte Schau mit dem Thema der (Selbst-)Überwachung. Tega Brain und Surya Mattu stellen ihre Arbeit unter den Titel „Unfit Bits“ und hängen die allgegenwärtigen Fitness-Tracker an ein Metronom oder ein umgedrehtes Fahrrad: Die Krankenkasse ist zufrieden und man selbst muss sich doch nicht vom Fernsehsessel erheben. Mit Fitness-Armbändern arbeitet auch die britische Künstlerin Susan Morris: Sie verarbeitet ihre eigenen Schlaf- oder Bewegungsdaten zu übergroßen Wandteppichen und Drucken – ein grafisch ansprechendes Selbstportrait der anderen Art als Kommentar zur allgemeinen Selbstoptimierungswelle.
Befreiung durch Selbstüberwachung
Der Überwachung durch Andere war der in Bangladesch geborene Medienkünstler und Professor für Digitalkulturen Hasan Elahi ausgesetzt. 2002 wurde er am Flughafen von Detroit vom FBI als terrorverdächtig befragt und konnte den Verdacht erst ein halbes Jahr später nach zahlreichen Befragungen entkräften. Auf diese Situation reagierte er, indem er das FBI und die Öffentlichkeit mit seinen Daten überschwemmte: Auf einer Website postet er regelmäßig Fotos seines jeweiligen Standorts. Seine These: Wenn wir alle Unmengen an Informationen über uns veröffentlichen, geht der Einzelne in der Datenmasse unter. In der Eres Stiftung laufen Hunderte Fotos in Dauerschleife auf zwölf im Kreis auf dem Boden liegenden Bildschirmen. In ihrem Zentrum kann der Besucher amüsiert Elahis Leben nachverfolgen und sieht doch nur einen Ausschnitt: Essen, Toiletten, trostlose Landschaften, uniforme Gebäude. Der Kontext wird sich so auch den Geheimdiensten nicht erschließen.
In der Installation des niederländischen Künstlers und Programmierers Matthias Oostrik kann sich der Besucher dann gleich selbst in die Überwachung begeben. „plplpl.pl_Scrutiny“ ist eine überdimensionale Kugel aus Kameras und Displays. Hier wird man aufgenommen und gleich wieder ausgespielt, sieht sich selbst mehrfach in unterschiedlichen Positionen, wird verfolgt vom eigenen Bild. Faszinierend. Beängstigend.
Gefangen in der Bilderwelt
Zur kostenfrei zugänglichen Schau in der Eres Stiftung gehört eine Ausstellung im Stadtmuseum, die historische Hintergründe der Überwachung hauptsächlich aus dem eigenen Bestand beleuchtet. Neben Kuriositäten wie dem Drohnen-Vorläufer Brieftauben-Kamera sticht hier vor allem die Foto-Arbeit „I would also like to be – a work on jealousy“ der schwedischen Künstlerin Jenny Rova hervor: In einem Fotoalbum sammelt sie Fotos, die ihr Ex-Freund auf Facebook veröffentlicht hat. Sie zeigen ein glückliches Paar in unterschiedlichen Situationen. Erst wer genau hinsieht, erkennt, dass sich Jenny Rova an die Stelle der neuen Freundin in das Leben ihres Ex montiert hat. Und man möchte gar nicht wissen, wie oft verlassene Partner genau dies am heimischen Rechner machen.
No Secrets! – Reiz und Gefahr digitaler Selbstüberwachung
bis 16. Juli 2017
Eres Stiftung
Römerstr. 15
80801 München
Di, Mi, Sa 11-17 Uhr, Eintritt frei
No Secrets! – Bilder der Überwachung
bis 16. Juli 2017
Münchner Stadtmuseum
St.-Jakobs-Platz 1
80331 München
Di-So 10-18 Uhr, 7 Euro
Beide Ausstellungen bieten ein umfangreiches Begleitprogramm.
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