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Opas Krieg – Postkarten als Spiegelbild des Ersten Weltkriegs

Christian Mack mit einem Foto seines Opas und Kriegsorden. Foto: Opas Krieg/ Beatrice Treydel

Es sind Dokumente von historischem Wert, die Christian Mack in seinem Blog „Opas Krieg“ veröffentlicht: Feldpostkarten, die sein Großvater Franz Mack im Laufe des Ersten Weltkrieges verschickt hat sind Hauptbestandteil des Internetauftritts. Aus dem Interesse an der Aufklärung der eigenen Familiengeschichte wurde eine Leidenschaft. „Opas Krieg“ erzählt die Geschichte des Ersten Weltkrieges auf eine persönliche Art und Weise neu. Der Blog ist für den Grimme Online Award 2016 in der Kategorie Wissen und Bildung nominiert.

Wie ist das Projekt „Opas Krieg“ entstanden?

Opa Franz Mack während des 1. Weltkriegs. Foto: Opas Krieg

Opa Franz Mack während des 1. Weltkriegs. Foto: Opas Krieg

Dadurch, dass mein Opa so spät Vater wurde, habe ich als 31-Jähriger einen Opa der den Ersten Weltkrieg erlebt hat. Das können wahrscheinlich nicht viele von sich behaupten.
Das Ganze basiert also auf den Postkarten, die mein Opa im Ersten Weltkrieg in seine Heimat Nürnberg verschickt hat. Die Karten gab es logischerweise schon so lange ich denken kann. Als Kind fand ich das Postkartenalbum meiner Oma sehr faszinierend und mein Bruder und ich haben es immer aus dem Schrank geholt, wenn wir zu Besuch waren. Es war total faszinierend, zu sehen wie es im Ersten Weltkrieg war. Als dieser Stichtag „100 Jahre Erster Weltkrieg“ kam, habe ich mir überlegt, dass ich mit den Postkarten etwas machen muss und meine Familie war der gleichen Meinung. Dann hat erst mal meine Mutter angefangen, die Postkarten mit der deutschen Kurrentschrift in eine lesbare Schrift zu übertragen. Auch meine Oma mütterlicherseits war in Sachen „Übersetzung“ der Postkarten eine große Hilfe.  Beide haben geholfen, die Karten chronologisch  zu ordnen. Ich kannte zwar die Fotos auf den Karten, aber die Geschichten hinten drauf konnte ich bis vor kurzem nicht lesen.

Wie kam es anschließend zur Gründung Ihres Blogs?

Ich wurde von einem Projekt auf Twitter namens @9nov38 inspiriert, bei dem es ein ähnliches Konzept zur Reichspogromnacht gab. Dabei wurde exakt 75 Jahre nach den Ereignissen sozusagen „live“ getwittert. Das könnte man doch genauso gut auch mit Postkarten machen, dachte ich mir.  Der Ursprungsplan war, das Projekt stärker an Twitter auszurichten. Das Blog ist dann drum herum gewachsen. Es gibt zwar auch einen Twitter-Account, aber der Austausch findet nahezu ausschließlich auf dem Blog, auf Facebook und mittlerweile Instagram statt. Im Endeffekt ist es eine Aufarbeitung der Familiengeschichte, die absichtlich im Netz stattfindet.

Steckt ein Team dahinter oder betreiben Sie das Projekt alleine?

Feldpostkarte vom 29.10.1915: "Liebe Eltern! Mit Sehnsucht erwarte ich von Euch ein paar Zeilen. Habe nun schon 14 Tage nichts erhalten. Hoffentlich geht es Euch allen gut. 1000 Grüße Euer Franz" Foto: Opas Krieg

Feldpostkarte vom 29.10.1915: „Liebe Eltern! Mit Sehnsucht erwarte ich von Euch ein paar Zeilen. Habe nun schon 14 Tage nichts erhalten. Hoffentlich geht es Euch allen gut. 1000 Grüße Euer Franz“ Foto: Opas Krieg

Das Blog ist im Prinzip mein Ding, mit ein bisschen Unterstützung meiner Freundin, die sich gut in der IT auskennt. Es ist hauptsächlich meine Arbeit, aber insgesamt nenne ich es gerne ein Familienprojekt. Die Frau von Opa Franz, also meine Oma väterlicherseits, hat das Album aufbewahrt und auch viele Akten aufgehoben. Deswegen habe ich das Material überhaupt. Mein Vater hatte schon erste Versuche gestartet, das Ganze aufzubereiten. Vor zehn Jahren haben wir sogar Urlaub in Frankreich gemacht und sind an die Kriegsschauplätze der Postkarten gereist. Meine Oma mütterlicherseits hat die Karten übertragen, weil sie die Kurrentschrift noch beherrscht. Meine Mutter hat auch noch dazu beigetragen. An der Entstehung des Projekts beziehungsweise der Aufarbeitung des Familienerbes war also durchaus ein Großteil meiner Familie beteiligt. Die Umsetzung des Blogs war und ist meine Baustelle und in die habe ich auch sehr viel Zeit investiert.

Wie sieht Ihre Arbeitsweise aus?

Es läuft im Prinzip viel automatisiert. Ich habe die gesamte Feldpost eingestellt und die Postings der einzelnen Karten gehen immer genau 100 Jahre nach dem sie geschrieben wurden online. Ich verteile das natürlich anschließend über die sozialen Netzwerke. Es gibt auch SoundCloud-Dateien. Ich bin noch nicht ganz bis zum Ende des Krieges mit dem Einsprechen der Karten fertig, aber die werden dann auch immer eingepflegt. Der Heeresbericht des Tages, den man im Netz finden kann, wird darunter gestellt. Das ist so die Kernarbeit. Drum herum habe ich noch ein paar Features auf der Seite wie den Stammbaum oder eine Zeitleiste, wo man ein wenig selber gucken kann, was zu welchem Zeitpunkt war. Das sind Sachen, die nach und nach eingebaut wurden. Letztendlich ist es ein Prozess, der immer noch läuft. Immer wenn ich etwas Neues über meinen Großvater in irgendwelchen Quellen herausfinde, wird das aktualisiert. Auf der anderen Seite gibt es natürlich die Arbeit in den sozialen Netzwerken. Ich habe mir bei Facebook zum Beispiel grob zum Ziel gesetzt, pro Tag einen Beitrag zu posten, damit die  Follower bei der Stange gehalten werden, weil die Feldpost sehr unregelmäßig kam. Im Moment befinden wir uns in einer solchen Phase, wo fast nichts geschrieben wurde. Deshalb versuche ich, rund um das Thema „Erster Weltkrieg“ und möglichst mit Bezug auf das Einzelschicksal meines Opas, noch ein paar spannende und lehrreiche Themen zu kuratieren. Das interessiert mehr Leute, als ich je gedacht hätte.

Feldpostkarte an die Eltern mit unverortbarem Motiv vom 12.03.1916: "Liebe Mutter! Habe an euch 10 M. abgeschickt. Schickt mir wenn möglich Kaffeebrot (Kuchen). Wiederschauen. Franz" Foto: Opas Krieg

Feldpostkarte an die Eltern mit unverortbarem Motiv vom 12.03.1916: „Liebe Mutter! Habe an euch 10 M. abgeschickt. Schickt mir wenn möglich Kaffeebrot (Kuchen). Wiederschauen. Franz“ Foto: Opas Krieg

Das heißt, die Erwartungshaltung war zu Beginn eher gering?

Ich hatte eigentlich gar keine Erwartung. In erster Linie war das für mich selbst – diese Aufarbeitung der eigenen Geschichte stand erstmal im Vordergrund. Ich habe natürlich gehofft, dass das noch irgendwen interessiert und es spannend ist, aber konkrete Erwartungen, dass es ein Feedback gibt, hatte ich nicht. Teilweise haben mir Leute Postkarten von ihren Ahnen sowohl aus dem Ersten, als auch dem Zweiten Weltkrieg geschickt, die sie nicht lesen konnten. Diesen Leuten konnte ich, auch wieder mit der Hilfe meiner Großmutter, Übersetzungshilfe geben. Ich habe sehr viele Menschen kennengelernt, hauptsächlich über die sozialen Netzwerke und die Kommentare im Blog. Unter ihnen auch viele, die sich ebenfalls hobbymäßig mit dem Ersten Weltkrieg befassen.

Motivieren Sie mit Ihrem Blog Ihre Leser, ebenfalls die eigene Familiengeschichte aufzuarbeiten?

Ich versuche natürlich meine Erfahrungen bei der Quellensuche zu teilen. Ich hatte viele Quellen, viele Zeugnisse von meinem Opa. Ich habe darüber hinaus auch Archive angeschrieben und so weiter und so fort. Dabei habe ich selbstverständlich Erfahrungen gesammelt und mir gedacht, dass es auch noch andere Menschen geben wird, die Vorfahren im Ersten Weltkrieg hatten und vielleicht mehr über sie herausfinden wollen. Ich habe diese Erfahrungen dann mit meinem Blog verknüpft. Dort biete ich den Suchenden eine Art Anleitung an, wie ich vorgegangen bin und wie es auch bei anderen klappen kann. Es ist teilweise schon ein wenig Detektivarbeit und auch immer sehr spannend, wenn man Stück für Stück die Geheimnisse der Vergangenheit lüftet.

Der erste Weltkrieg war 1918 zu Ende. Haben Sie sich bereits Gedanken darüber gemacht, wie es 2018 mit dem Projekt weitergehen könnte oder sehen Sie „Opas Krieg“ dann als beendet an?

Feldpostkarte/Fotografie vom 16.11.1915, vermutlich aus dem Kriegslazarett Turenne bei Sedan. Foto: Opas Krieg

Feldpostkarte/Fotografie vom 16.11.1915, vermutlich aus dem Kriegslazarett Turenne bei Sedan. Foto: Opas Krieg

Die Karten laufen tatsächlich bis 1918, obwohl der Opa 1917 verwundet wurde und anschließend nicht mehr aktiv am Krieg teilnahm. Trotzdem gibt es noch Feldpost aus dem Lazarett und die Korrespondenz läuft bis Kriegsende. Danach würde ich das Projekt eigentlich so stehen lassen. Vielleicht wird irgendwie ein Buch daraus, wenn ich einen Verlag finde. Ich habe bis dahin zumindest vor, noch einmal eine zweite Reise zu den Schauplätzen zu machen. Ich war zwar schon einmal dort, jedoch war zu dem Zeitpunkt das ganze Nachlassmaterial noch nicht aufgearbeitet. Das habe ich mir für dieses Jahr vorgenommen. Das Blog ist nach 2018 aber fertig und wird so stehen gelassen, damit man es dann als Gesamtkunstwerk betrachten kann. Aber ich hatte noch einen anderen Opa, der Feldpost während des Zweiten Weltkrieges an meine andere Oma geschickt hat. Ob ich dann 2039 Opas Krieg 2.0 daraus mache, werden wir sehen. Das Material dazu habe ich noch nicht gesichtet. Ich weiß aber, dass es  vorhanden ist und meine Großmutter das verwahrt.

Gibt es auf „Opas Krieg“ eine Postkarte, die Sie besonders faszinierend finden?

Eine Karte ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Sie hat damit zu tun, dass mein Großvater kein Wort Französisch konnte. Eines Tages hat er eine Postkarte aus Bouillonville verschickt und hat versucht, den Namen sinngemäß für seine Eltern zu übersetzen. Es kam dann „Fleischbrühstadt“ dabei heraus. Ich denke, das hat er mit einem kleinen Augenzwinkern geschrieben. Auf jeden Fall ist das eine Karte die ich immer gerne zitiere. Skurril war auch ein Ostergruß an die Familie mit einer brennenden Kirche im Hintergrund. Etwas makaber, aber da hat mein Großvater wohl einen besonderen Humor gehabt.

In welchem Zustand befinden sich die Postkarten?

Da die Karten alle in einem Album aufbewahrt wurden, ging es ihnen über die Jahre vergleichsweise gut. Das Album, also die „Hülle“, haben wir mittlerweile gewechselt, die Postkarten jedoch befinden sich, auch wenn die meisten etwas verblichen sind, in einem erstaunlich guten Zustand. Das Album mit den Postkarten lag seit dem Wohnungseinzug meiner Großeltern in den Dreißigern die gesamte Zeit über in der gleichen Schublade, in der es bis zuletzt noch lag.

Was bedeutet Ihnen die Nominierung für den Grimme Online Award? Denken Sie, sie könnte sich positiv auf das Projekt auswirken?

Christian Mack bei der Nominierung für den Grimme Online Award 2016. Foto: Grimme-Institut / Rainer Keuenhof

Christian Mack bei der Nominierung für den Grimme Online Award 2016. Foto: Grimme-Institut / Rainer Keuenhof

Ich habe mich natürlich total gefreut! Ich kann das bis jetzt noch kaum fassen, weil Grimme-Preisträger oft größere Medienhäuser und Verlage sind. Als Einzelperson, die den Blog komplett alleine betreibt, mit weiteren großen Namen in einer Reihe zu stehen ist vom Gefühl her schon fast so toll, wie einen Preis zu gewinnen. Im letzten Jahr bin ich für den Grimme Online Award vorgeschlagen worden. Das habe ich aber nur zufällig entdeckt, weil ich eines Tages auf meine Blog-Statistiken geschaut habe und gemerkt habe, dass viele Besucher von „Opas Krieg“ von der Grimme-Seite kamen. Das war aber zu einem Zeitpunkt, wo noch nicht so viel auf der Seite los war. Wenn die Seite schon damals interessant war, habe ich mir gedacht, dass sie es erst recht heute sein muss. Dieses Jahr habe ich mich dann selber vorgeschlagen. Damit gerechnet, dass es zu einer Nominierung führt, habe ich aber nicht. Umso größer war die Freude, als der Anruf kam. Alles was von jetzt an passiert, nehme ich gerne als Kür mit und genieße das Ganze einfach. Wenn es nicht klappt, bin ich auch überhaupt nicht traurig.
Ich denke aber, dass es rund um die Nominierten und die Angebote eine gewisse Medienberichterstattung geben wird. Ich kann mich schon im Moment nicht über mangelndes Medieninteresse beschweren. Und ich überlege ja, das Ganze in Buchform zu gießen – vielleicht wird das Projekt durch die Nominierung eventuell für den ein oder anderen Verlag interessant. Mal schauen was passiert.

Sehen Sie in „Opas Krieg“ einen lehrreichen Mehrwert im Hinblick auf die politische Gegenwart?

In unserer heutigen Zeit, wo wieder rechte Bewegungen erstarken und über geschlossene Grenzen geredet wird, finde ich „Opas Krieg“ und generell eine Sicht auf die Vergangenheit durchaus sinnvoll. Man muss zum Teil Angst haben, wenn man sieht, wie einige Menschen im Netz auf Zuwanderung reagieren. Ich denke, „Opas Krieg“ ist super, um zu sehen, dass der aktuelle Frieden und Wohlstand,  den nicht alle teilen möchten, nicht selbstverständlich sind. Es ist nicht allzu lange her, dass unsere Vorfahren aus dem Schützengraben aufeinander geschossen haben und heute fahren wird dahin in den Urlaub und müssen nicht einmal Geld tauschen. Ich glaube, viele vergessen einfach wie gut es ihnen geht und solche Vergangenheitsprojekte sind dann wichtig um zu zeigen: Leute, das war nicht immer so.

Autor: Daniel André

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Die Interviews mit den Nominierten und die Videos sind im Rahmen eines Medienpraxis-Seminars an der Universität zu Köln entstanden.

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