Das Interaktiv-Team der Berliner Morgenpost
Das Interaktiv-Team der Berliner Morgenpost veröffentlicht regelmäßig Anwendungen, Grafiken und Karten sowie Artikel im Storytelling-Format – hauptsächlich über Berlin. Dabei werden spannende Alltagsthemen und soziale Probleme analysiert, indem verfügbare Daten neu zusammengesetzt und visualisiert werden. Für ihre Arbeit ist das Team in der Kategorie Spezial für den Grimme Online Award 2016 nominiert. Der Leiter Julius Tröger erzählt im Interview unter anderem, warum das Interaktiv-Team mit verschiedenen Darstellungsformen experimentiert.
Wie entstand das Interaktiv-Team der Berliner Morgenpost? Was ist die Intention?
2011 haben wir die ersten interaktiven Geschichten für die Berliner Morgenpost veröffentlicht. Seit 2014 machen wir das Fulltime und seit diesem Jahr veröffentlichen wir interaktive Geschichten für weitere Titel der Funke-Media Gruppe. Wir sind also sehr stark gewachsen. Die Intention dahinter ist, Geschichten zu veröffentlichen, die so nur im Web funktionieren. Wir wollen die Stärken des Webs voll ausnutzen, wie eben die Interaktivität und vor allem die Personalisierung. Uns ist wichtig, dass wir Geschichten nicht nur für eine Region herunterbrechen können, sondern wenn möglich für jeden einzelnen Berliner. Da wir neue Recherchemethoden anwenden – Stichwort Datenjournalismus – finden wir auch neue Themen für die Berliner Morgenpost. Wir versuchen, unsere Leser zu überraschen, indem wir neue Darstellungsformen einsetzen, die es noch nicht so häufig gab.
Wie sieht die tägliche Arbeit in Ihrem Projekt aus?
Unser Team besteht aus Journalisten, Programmierern, Designern und einem Videojournalisten. Wir sind ein eigenes Ressort. Das ist bei uns nicht so, dass die Programmierer irgendwo in der IT-Abteilung sitzen, sondern wirklich direkt bei uns. Einerseits sind Programmierer für unsere Recherche wichtig. Sie kommen an Daten, an die wir sonst nicht kommen würden. Andererseits ist es für die Darstellung wichtig, direkt mit den Programmierern zusammenzuarbeiten. Konkret sieht das eben so aus: Wir überlegen uns eine Geschichte, die wir gemeinsam besprechen, dann überlegen wir, wie wir diese Geschichte darstellen könnten. Welche technischen Möglichkeiten gibt es? Wie können wir die Geschichte journalistisch und visuell aufbereiten? Häufig ist es auch so, dass wir uns einfach eine Frage stellen und überlegen, ob wir mit technischen Möglichkeiten eine Geschichte schaffen können und ob wir an Informationen kommen, mit denen wir die Geschichte so erzählen, wie man sie sonst nicht erzählen könnte.
Kannten Sie Ihre Kollegen bereits oder lernten Sie sich erst durch das Projekt kennen?
Am Anfang waren das nur André Pätzold und ich. Wir haben beide als volontierte Journalisten in der Online-Redaktion gearbeitet und trotzdem auch gerne ein bisschen programmiert. So haben wir 2011 gemeinsam unsere ersten kleinen Projekte veröffentlicht. Dann war relativ schnell klar, dass wir mit unseren Programmierkenntnissen an unsere Grenzen geraten und wir haben mit Moritz Klack, der als Freiberufler tätig war, zusammengearbeitet. Dann haben wir den Designer David Wendler zu uns ins Team geholt und später kam der Videojournalist Max Böhnke, der auch für die Online-Redaktion arbeitet, dazu. Christopher Möller vervollständigte schließlich als zweiter Programmierer das Team.
Was war Ihr erstes Projekt mit Ihrem Kollegen?
Wir haben eine interaktive Wahlkarte für Berlin erstellt. Üblicherweise gibt es um 18 Uhr die ersten Hochrechnungen im Radio, im Fernsehen oder online und am nächsten Tag steht dann schon der Wahlsieger fest. Wir wollten etwas Anderes zeigen und haben uns überlegt, jede einzelne Stimme, die abgegeben wurde, zu visualisieren. Das konnten wir mit Hilfe der Ergebnisse aus den Wahllokalen machen, die wir nachts um drei bekommen haben. Wir haben die Karte sofort programmiert und am Morgen darauf veröffentlicht. Das war damals ein relativ großer Erfolg, weil wir die einzigen waren, die solche detaillierten Informationen in Berlin hatten – eine Art Exklusivinformation. Jeder hatte die Ergebnisse, aber wir waren die einzigen, die sie so aufbereitet hatten. Die Karte hat viele Nutzer interessiert und dann haben wir einfach mit anderen Themen weitergemacht.
Warum wurde genau diese Form der Gestaltung gewählt? Warum dieses Medium?
Wir haben ganz viele verschieden Projekte veröffentlicht und dabei auch ganz viele verschiedene Darstellungsarten gewählt. Wir haben zum Beispiel mit istderberschonfertig.de eine Singlewebseite erstellt, bei der wir regelmäßig überprüfen, wie der Baufortschritt beim BER ist. Oder wir visualisieren eine Geschichte, die wir vor zwei Jahren mit einer Kollegin veröffentlicht haben. Sie ist 25 Jahre nach dem Mauerfall den Weg der Mauer noch einmal abgelaufen und hat berichtet, was von der Mauer übrig geblieben ist. Dafür haben wir Bildmaterial von Berlin kurz vor dem Fall der Mauer besorgt. So konnten wir zeigen, wie Berlin vor dem Fall der Mauer von oben ausgesehen hat und das mit Heute vergleichen. Also haben wir auch da eine neue Darstellungsform gewählt. Ein anderes Beispiel ist das Projekt M29 – Berlins Buslinie der großen Unterschiede. Dafür haben wir Statistiken entlang einer Buslinie dargestellt und konnten so – Haltestelle für Haltestelle – die Gegensätze in Berlin zeigen. Ich glaube, wir nutzen einfach eine große Variation an Darstellungsformen und überlegen uns auch immer wieder neue.
Was bedeutet die Nominierung für den Grimme Online Award für Sie?
Wir haben uns riesig gefreut, weil es auch etwas Besonderes ist, dass wir als ganzes Team nominiert wurden. Das war für uns einfach sehr toll. Seit Jahren lassen wir uns von den Preisträgern inspirieren. Selbst einmal einen Grimme Online Award zu gewinnen, ist für uns alle ein großer Traum.
Was planen Sie für die Zukunft? Ist die Nominierung eine Art Motivationsschub für das ganze Team?
Auf jeden Fall. Das was wir machen interessiert also nicht nur unsere Nutzer, sondern auch die professionelle Jury des Grimme Online Award. Wir fühlen uns dadurch bestärkt darin, so weiter zu machen. Wir werden in Zukunft genau diesen Weg weitergehen: Immer neu zu experimentieren, neue Geschichten zu finden und unsere Leser zu überraschen.
Autor: Kang Ju
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Die Interviews mit den Nominierten und die Videos sind im Rahmen eines Medienpraxis-Seminars an der Universität zu Köln entstanden.
Immer wieder ein Vergnügen, sich mit den Arbeiten des Teams zu beschäftigen!