Das Paris-Protokoll – Ein Blick hinter die Kulissen
Die Welt-Klimakonferenz in Paris markiert ein historisches Ereignis in der Geschichte der Klimapolitik. An der Konferenz, die vom 11. November bis zum 12. Dezember 2015 in Paris stattfand, nahmen Delegierte aus rund 195 Ländern teil – alle mit dem Ziel, ein gemeinsames Abkommen zu erreichen. Leichter gesagt als getan, denn jeder Delegierte kämpft nicht nur für ein gemeinsames Abkommen, sondern auch für die Interessen seines Landes. Das Paris-Protokoll, nominiert für den Grimme Online Award 2016 in der Kategorie Information, wirft einen multimedialen Blick hinter die Kulissen dieses höchst komplexen Ereignisses und trägt somit auf spannende Weise zur Verständlichkeit der Konferenzabläufe bei. Das Team des Projekts begleitete sieben Delegierte und Berater aus verschiedenen Ländern über den gesamten Zeitraum der Konferenz. Es wurde täglich und nahezu live aus der Sicht der Beteiligten berichtet. Im folgenden Interview gewährt Jan M. Schäfer einen Einblick in die Arbeit und den Entstehungsprozess des Projekts.
Wie entstand „Das Paris-Protokoll“?
Der Journalist Kai Schächtele und der Fotograf Christian Frey hatten die Idee, multimedial zum Thema Welt-Klimakonferenz zu berichten. Gemeinsam haben wir überlegt, wie wir es schaffen können, dass es gleichzeitig hintergründig und spannend ist, damit sich die Leute dafür begeistern. So kamen wir darauf, Insider der Verhandlungen aus verschiedenen Ländern zu begleiten. Und wir waren uns darüber einig, das Projekt multimedial und recht umfangreich aufzuziehen, mit Blog, Radiobeiträgen, Fernseh-Reportage und mehr.
Welche Vorzüge liegen Ihrer Meinung nach in dieser multimedialen Aufbereitung des Themas?
Wir wollten uns nicht auf Texte und Bilder, auf einen Film oder Radiobeitrag beschränken. Wir haben schon viel multimedial gearbeitet: Kai und Christian zum Beispiel als Duo mit brafus2014.com und ich als Trainer an der Journalistenschule ems, etwa mit suepermarketberlin.de. Wir sind davon fasziniert, welche Möglichkeiten es gibt. Man kann manche Dinge einfach besser mit Fotos vermitteln, andere mit einem Text oder einem Video. Wir wollten die Möglichkeiten, die uns das Netz bietet, ausschöpfend nutzen und denken, dass es nicht notwendig ist, sich auf eine Darstellungsform zu beschränken, wenn man eine große Geschichte erzählen möchte.
Warum wollten Sie über den Welt-Klimagipfel berichten? Was war an dem Thema so interessant für Sie?
Wir sind uns sicher, dass der Klimawandel eine der größten Bedrohungen auf der Welt ist. Das ist natürlich ein sehr komplexes Problem, das bereits viele Folgen hat und in Zukunft noch gravierende Folgen haben wird. Weil es so komplex ist und vieles beim Thema Klimawandel noch in der Zukunft liegt, ist es sehr schwierig, darüber zu berichten. Aufgrund dessen hört man oft von Redaktionen: „Ja natürlich ist das ein wichtiges Thema, aber wie kann man darüber berichten, ohne dass der Leser das Interesse verliert?“ Genau dieses Problem wollten wir in Angriff nehmen.
Welche Zielgruppe hatten Sie dabei im Kopf? Wen wollten Sie mit Ihrer multimedialen Präsentationsweise erreichen?
Wir haben unsere Zielgruppe nicht sehr eingeengt. Wir wenden uns vor allem an Leute, die politisch interessiert und für dieses Thema vielleicht in gewisser Weise bereits sensibilisiert sind, aber dennoch mehr darüber wissen möchten.
Könnten Sie uns die Arbeit im Team etwas näher bringen? Wie sah diese im Vorfeld und während der Konferenz aus?
Die Vorbereitung auf die Konferenz hat sich über ein Jahr gezogen. Im Dezember 2014 hatten wir die Idee und im November 2015 haben wir angefangen zu produzieren. Zusammen mit Kai Schächtele und Christian Frey habe ich lange am Konzept gearbeitet. Wir knüpften viele Kontakte zu verschiedenen Experten aber auch zu möglichen Protagonisten. Außerdem kontaktierten wir Redakteure und Redakteurinnen von Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehsendern, Radiosendern und Online-Medien, um Partner für das Projekt zu gewinnen. Im Sommer 2015 kamen wir mit dem NDR ins Gespräch. Er hatte, was wir brauchten: Die Möglichkeit, multimediale Beiträge mit großer Reichweite zu verbreiten. Dann kam unser Produzent Max von Klitzing von der Hamburger Produktionsfirma freeeye.tv dazu – eine große Unterstützung für die Organisation und technische Infrastruktur. Max kennt den NDR von gemeinsamen Produktionen und hat sich in vielen Gesprächen zusammen mit unseren Redakteuren beim NDR dafür eingesetzt, dass das Projekt zu schaffen ist und die medien-übergreifende Arbeit funktionieren konnte. Der NDR hat den Großteil der Finanzierung gestellt. Hinzu kam Budget von der Robert Bosch Stiftung und ein Eigenanteil von uns.
Insgesamt waren wir zehn Personen in Paris und hatten außerdem noch einen Programmierer in Berlin, der die Website bereits mit uns gemeinsam entwickelt hatte. Wir waren dann während der gesamten zweiwöchigen Konferenz in Paris und haben jeden Morgen kurz besprochen, was im Laufe des Tages anstand. In unserem Team waren drei Videojournalisten, eine Radioreporterin, eine Social-Media-Redakteurin und ein Cutter, und die Redaktion haben wir zu viert geleitet, wobei jeder von uns noch weitere Aufgaben hatte: Einer war für Art Direction und Fotografie zuständig, der zweite war Produktionsleiter und CvD, der dritte war verantwortlich für Texte und die Interviews mit den Insidern und meine Aufgabe war auch CvD und die Regie für die lange TV-Reportage. Das Tolle war, dass wir in unserer Arbeit wirklich so zusammengearbeitet haben, dass zwar jeder individuelle Aufgaben hatte, wir dabei aber ständig Infos und Material austauschen konnten. Wir haben auf einem sehr niedrigen Hierarchie-Level und auch wirklich auf Augenhöhe, an einem gemeinsamen Produkt – in verschiedenen Ausspielwegen – gearbeitet.
Welche Rolle spielen die „Insider“ bei Ihrem Projekt? Warum wollten Sie aus deren Sicht berichten?
Wir wollten zeigen, wie dieser politische Prozess funktioniert. Wie die Weltgemeinschaft versucht, sich auf ein gemeinsames Ziel in Sachen Klimawandel und Erderwärmung zu einigen. Diesen politischen Streit, diese große Auseinandersetzung, wollten wir abbilden. Uns ging es diesmal nicht um konkrete Geschichten von Betroffenen in den Ländern, sondern um die Verhandlungsführer, die sich seit Jahren, zum Teil seit Jahrzehnten, mit diesen Fragen beschäftigen. Sie haben sich lange auf diese Konferenz vorbereitet, kennen sich zum Teil und ringen alle darum, das aus ihrer Sicht Beste herauszuholen. Das können zwei verschiedene Dinge sein: Einerseits kämpfen sie alle für die Zukunft des Planeten, andererseits hat aber auch jeder das Interesse seines Landes zu vertreten. Der Delegierte Indiens kämpft zum Beispiel dafür, dass Indien auch in Zukunft regelmäßig neue Kohlekraftwerke bauen kann, während der Delegierte aus Gambia sich dafür einsetzt, dass sein Land und andere „schwache Länder“ eine gute Förderung dafür bekommen, sich an den Klimawandel anzupassen. Das ist auch das Dilemma des Ganzen. Sie sind sich prinzipiell einig: Sie möchten den Klimawandel in den Griff bekommen und sich natürlich international einigen. Aber auf der anderen Seite haben sie eigene, ganz starke nationale Interessen.
Nach welchen Kriterien haben Sie die Insider ausgesucht?
Das war unsere größte Herausforderung: Wie finden wir die besten Protagonisten? Wir wollten uns auf sieben beschränken. Da wir für Nutzer in Deutschland berichteten, war die deutsche Position auf jeden Fall gesetzt. Außerdem haben wir Indien ins Auge gefasst, da Indien eine der aufstrebenden Ökonomien ist. Auch Entwicklungsländer sollten dabei sein – Gambia und Bangladesch. Einen sogenannten „Bremser“ wollten wir ebenfalls dabei haben, der in den Verhandlungen eher blockiert. Da kam unter anderem Russland in Frage. Wir wollten ein möglichst breites Spektrum abbilden, um die Konflikte erkennen zu können.
Und dann begann eine lange Suche. Wir meldeten uns zunächst beim Umweltministerium und haben um ein Gespräch gebeten, um dort eine Protagonistin zu finden. Wir haben viel telefoniert, uns mit Journalisten und Vertretern von NGO’s, also Nichtregierungsorganisationen, getroffen und uns von ihnen Tipps und Kontakte geben lassen. Wir waren auch auf der Vorbereitungskonferenz vor Paris, in Bonn, und haben die Delegierten dort zum Teil abgefangen. Den russischen Delegierten haben wir zum Beispiel in einer Plenumsdiskussion beobachtet und dachten, dass wir ihn unbedingt als Protagonisten haben müssen. Nach dieser Veranstaltung sind wir zu ihm gegangen, haben ihn um ein Interview gebeten und gefragt, ob er bei dem Projekt mitmachen möchte. Er hat zum Glück „ja“ gesagt. Und so war das eine lange Fleißarbeit nach einem Wunschzettel, der zum Glück aufgegangen ist.
Was bedeutet Ihnen die Nominierung für den Grimme Online Award?
Wir freuen uns darüber, weil wir darin eine Anerkennung unserer Arbeit sehen. Wir haben schon viel Anerkennung bekommen – von unseren Usern, von Kollegen und Freunden und auch von unseren Auftraggebern. Aber diese Nominierung ist doch noch mal eine Auszeichnung über die wir uns besonders freuen.
Ist das Projekt abgeschlossen, oder gibt es Fortsetzungsideen?
„Das Paris-Protokoll“ als Bericht über die Welt-Klimakonferenz ist abgeschlossen. Wir können uns aber eine Fortsetzung vorstellen – entweder wieder zum Bereich Klimapolitik oder aber auch zu einem anderen großen politischen Thema. Das Konzept hat gut funktioniert und die multimediale Arbeit sowie die Kooperation mit den Partnern lief so gut, dass wir uns vorstellen können, erneut etwas in dieser Art zu machen. Aber erstmal freuen wir uns über die Nominierung!
Autorin: Luca-Luisa Strack
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Die Interviews mit den Nominierten und die Videos sind im Rahmen eines Medienpraxis-Seminars an der Universität zu Köln entstanden.
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