Airbnb vs. Berlin – Wohnungsverknappung in Deutschland
Seit dem 1. Mai 2016 greift das Zweckentfremdungsverbot in Berlin, das die dauerhafte Vermietung von Privatwohnungen als Ferienwohnungen untersagt. Die Übergangsfrist von zwei Jahren ist damit beendet. Bereits 2014 setzten sich die Studenten Jonas Parnow, Alsino Skowronnek und Lucas Vogel an der FH Potsdam mit diesem Thema auseinander. „AIRBNB vs BERLIN – Was sagen die Daten?“ visualisiert anschaulich Zahlen in Berlin rund um den Ferienwohnungsvermittler AirBnB. In Texten, Grafiken und Diagrammen wird übersichtlich dargestellt, wie viele Airbnb-Wohnungen es in Berlin gibt, wo diese liegen, was die Nutzung kostet und wie die Hauptstadt im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten abschneidet. Dieses Datenjournalismus-Projekt ist in der Kategorie Information für den Grimme Online Award 2016 nominiert. Im Interview gibt Jonas Parnow darüber Auskunft, wie das Projekt entstanden ist und wie es damit weitergeht.
Wie entstand das Projekt „Airbnb vs. Berlin“? Was ist seine Intention?
Es ist als Datenjournalismus-Projekt an der Universität entstanden. Wir konnten uns das Thema frei aussuchen und haben uns aus zweierlei Gründen zu dritt zusammengefunden. Einerseits fanden wir die Thematik interessant, weil es die Debatte, ob Airbnb gut ist oder nicht, schon gab. Auf Partys kam das Thema immer wieder auf und war deshalb sehr relevant für uns. Wir hatten einfach das Gefühl, dass jeder eine Meinung dazu hat und viel behauptet wird, aber eine vernünftige Datengrundlage dazu fehlt. Es gibt zwar Daten von Airbnb, aber keine wirklich verlässlichen Zahlen. Dazu kam, dass wir uns zu dem Zeitpunkt unabhängig voneinander Wohnungen gesucht haben und mit dem Wohnungsmarkt konfrontiert waren. Dieser persönliche Bezug hat das Projekt für uns noch spannender gemacht.
Wie wurde die Idee entwickelt und umgesetzt? Wie sah die Arbeit im Team aus?
Alsino Skowronnek hat Wirtschaftsgeographie studiert, und wusste bereits viel über die Wohnungssituation in der Theorie. Ich selber arbeite im Bereich Informationsdesign, weshalb die Visualisierung ein wichtiger Aspekt für mich war. Und Lucas Vogel arbeitet viel mit Interfacedesign. Wir haben die Arbeit allerdings nicht nach Recherche und Technik aufgeteilt, sondern nach einzelnen Themen bearbeitet. Wir wollten alle Bereiche des Projekts gemeinsam abstimmen. Wir haben dann außerhalb des Kurses sehr viel Zeit in das Projekt investiert und uns mit Experten vom Tagesspiegel, von der ZEIT und Spiegel Online getroffen und erklärt, was wir mit unserem Projekt vorhaben. Am Anfang war uns das nicht unbedingt klar, da wir erst einmal gucken mussten, welche Daten wir überhaupt bekommen können und was wir daraus machen können. Nach und nach haben wir Visualisierungen angefertigt und überlegt, ob das noch verständlich und auch interessant ist. Die Arbeit hat sich über das ganze Semester hingezogen und insbesondere gegen Ende war der Zeitaufwand sehr groß, weil wir die Daten einer breiteren Masse im Internet zugänglich machen wollten. Wir wollten eine URL für unser Projekt haben und ein responsives Design. Das war keine Kursanforderung, aber uns selber war das wichtig, weshalb wir die Seite noch einen Monat intensiv optimiert haben. Es ist sehr schön, dass es am Ende kein Projekt geworden ist, was abgeschlossen in der Schublade landet, sondern tatsächlich etwas Bleibendes im Internet geworden ist und wir Feedback dazu bekommen.
Werden die Daten gegenwärtig noch aktualisiert und das Projekt weitergeführt? Oder ist es abgeschlossen?
Die Daten auf der Seite aktualisieren wir nicht und wir müssen auch immer genau klarstellen, von wann die Daten sind. Wir sind an sich noch an dem Thema interessiert und sammeln auch noch Daten. Aber wir haben noch nichts Konkretes geplant. Was beim Projekt auf jeden Fall noch fehlt ist ein zeitlicher Verlauf. Im Augenblick gibt es dank der neuen Gesetze in Berlin starke und interessante Entwicklungen und wir beobachten die Nutzerzahlen, die sich noch einmal stark verändern. Insgesamt steigen die Nutzerzahlen von Airbnb, aber professionelle Nutzer werden durch Gesetze etwas eingeschränkt. Wir müssen uns die Daten für ein neues Projekt, beispielsweise einen Artikel, allerdings genauer angucken.
Wie umgehen die Anbieter von Airbnb Unterkünften die Gesetzeslage, insbesondere das Zweckentfremdungsverbot? Wie kann es sein, dass die Top 10 Anbieter in Berlin 281 Wohnungen vermieten?
Das eigentliche Problem ist letztendlich, dass nicht nach illegaler Vermietung gefahndet wird. Die Stadt ist damit natürlich überfordert, das irgendwie zu kontrollieren. Die Vermietung kann schließlich auch legal betrieben werden: Wenn ich meine Wohnung normal anmelde, kann ich sie auch ganz normal als Ferienwohnung vermieten. Eigentlich müsste bei jeder Airbnb-Anzeige geprüft werden, wie die Wohnung genutzt wird. Das könnte die Stadt zwar irgendwie meistern, aber wahrscheinlich doch eher mit einem sehr großen Mehraufwand. Genau um diesen Aspekt ging es uns auch. Wir wollen nicht sagen, dass Airbnb-Vermieter schlimme Menschen sind, sondern, dass es eine grundsätzliche politische Entscheidung ist, ob sie das dürfen. Die Schuld liegt nicht bei Airbnb oder bei den Nutzern. Wenn es die Möglichkeit gibt, Geld zu machen ohne direkt anderen Menschen zu schaden, dann ist das in Ordnung. Das ist eine Entscheidung die grundsätzlich gefällt werden muss.
Auf der Homepage wird zu Beginn die Frage gestellt, ob Airbnb eine Mitschuld an der Verknappung von bezahlbarem Wohnraum trägt. Wie wäre in Anbetracht der Datenauswertungen die Antwort auf diese Frage?
Das ist ein Punkt, der tatsächlich immer wieder angesprochen wird, weil wir das mit dem relativ provokanten Titel auch irgendwie fordern. Letztendlich haben wir uns entschieden, auf ein Fazit, zu verzichten, weil wir uns in der Rolle sehen, die Daten zur Verfügung zu stellen. Wir haben die Daten erhoben, wir haben sie dargestellt und die Schlussfolgerungen sind den Leuten überlassen. Letztendlich konnten wir auch keine eindeutige Kausalität zwischen Airbnb, der Wohnungsknappheit und steigenden Mieten finden. Airbnb ist zwar ein Faktor, aber nicht so, dass man sagen kann, Airbnb wäre an allem Schuld.
Wo übernachten Sie, wenn Sie vereisen? Nutzen Sie Airbnb trotzdem noch?
Doch, schon. Wir sind der Ansicht, dass Airbnb nicht grundsätzlich schuld ist an der Nutzung durch professionelle Vermieter. Airbnb macht allerdings den Fehler, dass sie nicht kennzeichnen, wie die Wohnungen genutzt werden – also ob es sich um professionell vermietete Ferienwohnungen oder um Wohnungen von Privatleuten handelt. Ursprünglich ist Airbnb aus der Idee heraus entstanden – und vermarktet sich auch so – dass ich im Urlaub mein Zimmer vermiete, damit ich mir die Miete meiner Wohnung leisten kann und, dass es für den Gast nett ist, meine Mitbewohner kennenzulernen und mal eine andere Wohnungserfahrung zu haben. An dieser Idee ist eigentlich nichts Verwerfliches. Wir sind allerdings der Ansicht, dass etwas schief läuft, wenn eine Wohnung nur gekauft oder gemietet wird, um sie über Airbnb anzubieten und nicht mehr selber zu nutzen. Airbnb sind eigentlich die einzigen, die das nachvollziehen können, weil sie die kompletten Daten haben. Anhand der Belegungspläne und tatsächlichen Buchungen könnten sie die Ferienwohnungen von den Privatwohnungen unterscheiden und das bei den Wohnungen für den potentiellen Mieter kenntlich machen.
Was bedeutet die Nominierung für den Grimme Online Award für Sie? Wie könnte sich ein Gewinn des Grimme Online Award positiv auf das Projekt auswirken?
Die Nominierung war sehr überraschend für uns, weil wir das Projekt nicht selber eingereicht haben. Da waren wir doch sehr verwundert und haben uns natürlich gefreut. Durch die Nominierungen werden mehr Leute auf die Wohnraum-Problematik aufmerksam gemacht und vielleicht wird die Politik nun ein bisschen anders darauf reagieren. Bisher hat uns doch sehr gewundert, wie wenig das Thema von der Politik aufgegriffen wurde. Wir haben Zeitschriften kontaktiert und wurden zu Vorträgen bei Meetups und Konferenzen eingeladen, aber von der Politik aus kam einfach nichts. Wir können nur hoffen, dass die Politik durch die Nominierung auf das Thema aufmerksam wird und sich mehr damit auseinandersetzt.
Autorinnen: Lisa Brinkmann, Anna Kiepe
Um das Video anzuzeigen, ist ein Verbindungsaufbau zu YouTube erforderlich. Durch YouTube werden bei diesem Vorgang auch Cookies gesetzt. Details entnehmen Sie bitte der YouTube-Datenschutzerklärung.
Die Interviews mit den Nominierten und die Videos sind im Rahmen eines Medienpraxis-Seminars an der Universität zu Köln entstanden.
Wie die Verknappung Deutschland trifft habt ihr wirklich gut beschrieben! ;-)
Finde AirBnB ist für viele ohne Geld aber mit Wohnung die Rettung schnelle etwas Geld zu verdienen. Dass das linke Politiker jetzt schwerer machen ist ein Witz!