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Aus dem Gedächtnis verbannt

Screenshot „Trauern verboten“

Peking im Jahre 1989: In der Nacht zum 4. Juni wurden Studentenproteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens mit einem brutalen Militäreinsatz der chinesischen Armee beendet – tausende Menschen wurden in der Folge verletzt und hunderte getötet. In China ist ein Gedenken an das Ereignis und die Opfer verboten. Mit der für den Grimme Online Award in der Kategorie Wissen und Bildung nominierten Web-Reportage „Trauern verboten“ möchte die Süddeutsche Zeitung über dieses Verbot und seine Folgen informieren. Fabian Heckenberger, Redakteur und verantwortlich für die Konzeption, erläutert im Interview den komplizierten Weg zur Reportage – an der chinesischen Zensur vorbei.

Wie kam es zu dem Projekt „Trauern verboten“? Was ist die Intention dahinter?

Es geht bei „Trauern verboten“ darum, anlässlich des Jahrestags die Auswirkungen des Tiananmen-Massakers auf die chinesische Gesellschaft zu skizzieren. In der Wahrnehmung der westlichen Welt ist das Ereignis präsent. Was aber kaum jemanden klar ist: Wie strikt und rigoros das Massaker aus dem kollektiven Gedächtnis in China gelöscht wurde. Unsere Korrespondenten vor Ort sprachen zum Beispiel mit Studenten, die sie nur fragend anblickten, als das Gespräch auf Tiananmen kam.

Screenshot "Trauern verboten"

Screenshot „Trauern verboten“

In China ist das Ereignis so gut wie nicht mehr existent. Möchten Sie dem Vergessen entgegenwirken?

Die Grundidee unseres Korrespondenten Kai Strittmatter war vor allem, dieses Vergessen und das Verbot zu trauern zu schildern und in Einzelschicksalen deutlich zu machen: Wie funktioniert das? Wie lösche ich ein Ereignis aus dem historischen Gedächtnis? Und wie lehnen sich Menschen dagegen auf?

Bringen Sie uns bitte kurz Ihre Arbeitsweise etwas näher. Gab es eine Unterwerfung unter die chinesische Zensur?

Die Recherchen, Absprachen und die Koordination zwischen der SZ-Redaktion in München, den SZ-Korrespondenten in Peking und dem ARD-Büro in China liefen entweder über verschlüsselte Mails oder über den Nachrichtendienst Threema ab. Für die grundsätzliche Planung kam Kai Strittmatter nach München geflogen. Das alles machte die Kommunikation natürlich aufwändiger, eine Unterwerfung unter die Zensur gab es aber natürlich nicht.

Thomas Salter von "Trauern verboten"; Foto: Grimme-Institut / Jens Becker

Thomas Salter von „Trauern verboten“; Foto: Grimme-Institut / Jens Becker

Was bedeutet die Nominierung für den Grimme Online Award für Sie?

Das ist vor allem eine Auszeichnung der exzellenten Team-Arbeit bei diesem Projekt. Was oft vergessen wird: An solchen Projekten – erst recht, wenn diese international koordiniert werden müssen – arbeiten bis zu zwanzig Leute mit: Journalisten, Programmierer, Designer, Videocutter etc. Dass am Ende jedes Detail zusammenpasst und das Werk als durchkomponierte, preiswürdige Geschichte funktioniert, das freut mich sehr.

Wie könnte sich ein Gewinn des Grimme Online Award positiv für das Projekt „Trauern verboten“ auswirken? Was erhoffen Sie sich auch in Hinblick auf potenzielle neue Projekte?

Das Projekt hat schon heute Vorbildfunktion bei der SZ – zusammen mit ähnlichen Digitalreportagen wie zum Beispiel zum NSU-Prozess oder zur Fußball-WM. Wir merken immer stärker, wie im ganzen Haus nicht mehr nur in der Kategorie Text gedacht wird, sondern große Themen auch als Digitalreportagen gedacht werden. Das bedeutet überhaupt nicht, dass jeder Text jetzt immer auch ein Video oder eine interaktive Grafik braucht. Aber meine Hoffnung ist, dass bei einzelnen, ausgewählten Themen eine Erzählweise aus verschiedenen Medientypen dem Digitalleser ein besseres Leseerlebnis bietet als es reiner Text kann.

Im Video berichtet Thomas Salter, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, über die Realisierung des Projekts „Trauern verboten“:

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