Grimme-Preis – online gedacht: Fiktion
Nachdem wir uns in den vorherigen Beiträgen den Grimme-Preis-Nominierungen in den Kategorien „Unterhaltung“ und „Information und Kultur“ gewidmet haben, betrachten wir heute die Kategorie „Fiktion„. Und da präsentiert sich schon jetzt der große Gewinner des 50. Grimme-Preises – beim Preis selbst und in der Online-Sicht.
Am Sonntagabend gibt es in der Timeline kaum ein anderes Thema: Zu #Tatort hat jeder eine Meinung, und natürlich twittert auch der @Tatort selbst. Die wahre Konvergenz: Die Tweets landen per „Teletwitter“ direkt wieder im Fernsehprogramm. 750.000 Fans hat der Tatort bei Facebook – und gelegentlich bietet die ARD auch Social TV zum Tatort an, um die ganzen Social-Media-Aktivitäten zu konzentrieren. Lagerfeuer-TV, das zeigt, dass Old-School-Fernsehen noch lebt. Besonders dann wenn es so gute Folgen produziert, wie die nominierten „Borowski und der Engel“ und „Angezählt„. Der offizielle Webauftritt des Tatort bietet eine Übersicht über alle Folgen mit vielen Hintergrundinformationen – die richtige Möglichkeit, um noch mal zu recherchieren, ob die Besondere Ehrung, die der Tatort beim 50. Grimme-Preis bekommen wird, auch gerechtfertigt ist.
Neben offiziellen Angeboten kümmern sich auch andere um die Kult-Serie: So Spiegel-Online, vor allem mit dem Schnellcheck, der in Kurzform verrät, ob sich das Einschalten lohnt. Der Online-Auftritt der Süddeutschen Zeitung punktet mit einer Übersichtskarte, in der sie über die Besonderheiten der Ermittlerteams aufklärt und in der man mithilfe einer Zeitleiste auch in frühere Tatort-Zeiten springen kann. Wie die SZ hat auch Zeit Online eine Twitter-Kritik, in der die besten Tweets zur Sendung zusammengefasst werden. Ein umfangreiches Archiv aller Sendungen bieten die Tatort-Fans und der jüngste – und sehr amüsante – Zugang zu den Fan-Seiten zum Tatort ist das Tumblr „Tatortstyle„, in dem noch während der Sendung die Kleidung der Kommissare zum Nachkaufen gepostet wird. Und was nun, wenn man zwar Krimis liebt, aber Fernsehsendungen gar nicht so sehr? Dann gibt es immer noch den „Radiotatort“ – im Netz inzwischen auch zum Nachhören.
Gegen so viel geballte Online-Aktivitäten kommt die Schwestersendung Polizeiruf 110 nicht an, die Facebook-Seite und der Twitter-Account @Polizeiruf110 haben wesentlich weniger Follower und unter #Polizeiruf wird nicht so viel diskutiert. Auf der offiziellen Seite des Polizeiruf 110 lassen sich aber alle Folgen der Serie recherchieren, auch die nominierte „Der Tod macht Engel aus uns allen„. Immerhin mit einer Filmwebsite und einer Facebook-Seite kann „Schuld sind immer die anderen“ aufwarten, und auch „Verbrechen“ bietet eine etwas umfangreichere Website.
Der Historienfilm „Unsere Mütter unsere Väter“ wird auch im Internet umfassend präsentiert. Neben Hintergrundinformationen gibt es hier auch eine Dokumentation zum Film zu sehen und ein eigens gestalteter Zeichentrickfilm zeigt die Vorgeschichte. Die Erinnerungen, die auf das Portal „Gedächtnis der Nation“ hochgeladen werden sollten sind entweder nicht aufzufinden, oder niemand hat auf den Aufruf reagiert (vielleicht war die Verlinkung auch so verwirrend, dass Zeitzeugen auf dem Weg dorthin verzweifelt sind), dafür drückt sich die Begeisterung über den erfolgreichen Dreiteiler auf Facebook umso mehr aus.
Zwei Spezial-Nominierungen gehen an Projekte, die von vorneherein multimedial angelegt waren. Beide entstanden – man möchte fast sagen: natürlich – in Zusammenarbeit mit ARTE. „Zeit der Helden“ war eine Fernsehserie über fünf Menschen in der Midlife-Crisis an fünf Tagen. Während die Sendezeit auf 75 Minuten am Tag beschränkt war, lief das Leben der Charaktere im Netz in Echtzeit weiter und konnte von den Zuschauern verfolgt werden. Zusätzlich gab es im Internet ein Rätsel, bei der die Vorgeschichte herauszufinden war. Noch ein bisschen weiter gedreht war „About Kate“ über eine junge überforderte Frau, die sich freiwillig in eine Nervenklinik begibt, um sich selbst zu finden. Dabei konnte der Zuschauer sie unterstützen, sich mit ihr auf Facebook anfreunden, mit ihr in Kontakt treten. In den zugehörigen Apps wurden entsprechende Zusatzinformationen direkt in die Serie eingeblendet und die Nutzer konnten eigene Videos und Fotos hochladen, die sich mit Kates Themen beschäftigen. Kein Wunder, dass Kate überfordert war, bei diesem multimedialem Overkill.
Um der Überforderung bei der Auswahl fiktionaler Fernsehprogramme vorzubeugen, empfehlen wir nicht nur die Nominierten des Grimme-Preises, sondern auch unseren Nominierten von 2011 „tittelbach.tv„, den „Fernsehfilm-Beobachter“. Und noch einen Querbezug zum Grimme Online Award gibt es bei den Nominierten des Grimme-Preises der Kategorie Fiktion: „Der Minister“ beruht auf der Affäre um Karl-Theodor zu Guttenberg, der bekanntlich als Verteidigungsminister zurücktreten musste, weil seine Doktorarbeit im Internet als Plagiat entlarvt wurde. Die entlarvende Plattform „GuttenPlag Wiki“ wurde 2011 mit einem Grimme Online Award der Kategorie Spezial ausgezeichnet.
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