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Ein Archiv des analogen Alltags schaffen

David Ohrndorf und Stefan Domke von WDR Digit Foto: Grimme-Institut/ Arkadiusz Goniwiecha
David Ohrndorf und Stefan Domke von WDR Digit Foto: Grimme-Institut/ Arkadiusz Goniwiecha
David Ohrndorf und Stefan Domke von WDR Digit Foto: Grimme-Institut/ Arkadiusz Goniwiecha

Diesem Prinzip folgt „WDR Digit„. Hier können Privatpersonen alte Foto- und Filmschätze hochladen und kleine Anekdoten beisteuern. Besonders interessanten Themen widmet die WDR-Redaktion sogar große Geschichten. Genauso erhalten Nutzer Hilfe bei der Digitalisierung. Wie das funktioniert und auf diese Weise langfristig ein Archiv des analogen Alltags entsteht, schildert Stefan Domke.

Was war der Anlass für die Konzeption Ihres Angebots?
Die Idee resultiert aus mehreren Erfahrungen: Ich mag besonders die Anmutung, die viele alte Fotos besitzen. Früher in der Familie haben wir viel fotografiert und gefilmt. Schon damals kannte ich das Problem, dass tolles Material in alten Kisten lagert und niemand Zeit, Lust oder die Möglichkeiten hatte, dieses zu digitalisieren und dass die Erinnerungen deshalb im wahrsten Sinne des Wortes vergammelten. Da ich nun schon seit zehn Jahren in einer Internet-Redaktion arbeite, habe ich festgestellt, dass Fotoangebote auf Flickr und Facebook einfach nicht mehr ausreichen. Vor allem die „Digital Natives“ wollen die Älteren, die die Digitalisierung nicht selber machen können, unterstützen. Im Gegenzug soll die jüngere Generation im Material ihrer Eltern und Großeltern stöbern können und entscheiden, was aufbewahrungswürdig ist und was nicht. Vom endgültigen Impuls im Herbst 2011, ersten Konzeptionsansätzen Anfang 2012 bis zur Umsetzung im Dezember 2012 verging schließlich ein gutes Jahr. Probleme gab es zusätzlich mit cc-Lizensen (Creative Comments), sodass sich die geplante freie Nutzung der Fotos und Filme erheblich verzögerte. Inzwischen ertrinken wir aber sinnbildlich in der Bilder- und Filmflut, da ist es ungemein schwierig zu entscheiden, zu welchen alten Schätzen wir recherchieren, um die Geschichten dahinter zu erzählen. Grundsätzlich nehmen wir daher auch nicht jedes Foto- oder Filmmaterial auf, das uns angeboten wird. Das Motiv soll in allererster Linie den Zeitgeist, Alltag und das Lebensgefühl der jeweiligen Epoche widerspiegeln, d.h. zum Beispiel anhand der Mode und dem Verhalten der Akteure zeigen, dass es sich um die 1960er Jahre handelt. Kritisch wird es aber bei einfachen Videomitschnitten und Bildern von Hochzeiten, Geburtstagen oder Urlauben, die kaum als Zeitdokument durchgehen. Viel besser, aber kein Muss, ist es, wenn sogar ein zeithistorisches Ereignis, wie etwa der Besuch Kennedys oder der Queen o.ä., abgebildet wird. Solche Fotos sind wahre Volltreffer. Es müssen also Geschichten sein, die die Leute mehrheitlich interessieren, schlicht etwas, das gefällt. Wir verstehen uns als „Amateurplattform und verfolgen daher keinen wissenschaftlichen, sondern einen journalistischen Ansatz.

Was und welche Zielgruppen wollen Sie erreichen?
WDR Digit möchte generationenübergreifend ansprechen, sowohl „Digital Natives“, die den Umgang mit moderner Technik und Foto-Sharing-Apps wie instagram gewohnt sind, als auch „Silver Surfer“, die das hochgeladene Foto- und Filmmaterial im Original beziehungsweise der Realität selbst erlebt haben. Langfristiges Ziel ist es, ein Archiv des analogen Alltags zu generieren, so lückenlos wie möglich und mit Zusatzinformationen durch Crowdsourcing. Bei uns soll jeder die Möglichkeit haben, passiv zu stöbern und aktiv teilzunehmen.

Wie haben Sie reagiert, als Sie von der Nominierung erfuhren?
Die Information erhielt ich über meinen Chef des Programmbereichs Internet und musste mich einer spontanen Übersprungshandlung in Form der „Becker-Faust“ hingeben. Schon allein die Nominierung sichert unserem Projekt das „Überleben“, denn bisher ist dieses obwohl die reine Internetpräsenz darüber hinaus erhalten bleiben wird nur bis Jahresende 2013 aktiv. Denn das Sammeln und die Digitalisierung sind teuer. Aber eventuell finden wir nun dadurch neue Sponsoren, die uns in unserem Vorhaben finanziell unter die Arme greifen. Der Grimme Online Award bedeutete bisher für mich persönlich eine Art „running gag“, weil wir schon öfter nominiert waren, es am Ende aber nie geklappt hat. Nun haben wir erneut die Chance auf den „Internet-Oskar“, den mir wichtigsten Preis, den ich als Online-Journalist mit meiner Arbeit gewinnen könnte.

Was bedeutet die Nominierung für die zukünftige Entwicklung Ihres Angebots?
Mein Wunsch wäre, dass das Projekt nicht nur auf den WDR beschränkt bliebe, sondern deutschlandweit oder gar international ausgeweitet wird. Vielfach hören wir auch, warum wir denn nicht auch reines Audiomaterial, O-Töne, und andere Medien integrieren würden. Hier sehe ich erhebliche Probleme hinsichtlich des Amateur- und Urheberrechts aufkommen, weshalb wir uns bei WDR Digit bewusst weiter auf Fotos und Filme beschränken wollen. Die Nominierung gibt uns Anlass, einen ohnehin angedachten „rebrush“ der Seite etwas vorzuziehen – einiges haben wir bereits seit dem Zeitpunkt der Nominierung verändert. Diese Pläne und Konzepte wollen wir ausweiten. In Zukunft wollen wir versuchen, noch mehr Informationen zu den Geschichten hinter den Fotos und Filmen zu bekommen. Wir erarbeiten gerade Ideen, wonach wir Audio-Interviews mit Freiwilligen, die noch viel offline unterwegs sind, z.B. mit dem Opa, der seinem Enkel von früher erzählt, oder mit Hobby-Historikern vor Ort  machen. Das ergäbe dann das zum Bild passende Audio-Material. Andere WDR-Sendungen gehen bereits ähnlich vor. Das würde unser Angebot nicht nur noch interessanter machen, sondern unsere Mitarbeiter entlasten, die schon jetzt aus Zeitgründen lange nicht jeder spannenden Geschichte nachgehen können. Zweigleisig fahren wir sowieso, damit dass das Material natürlich auch für Historiker, Heimatforscher und nicht-kommerzielle Bildungseinrichtungen von Interesse ist.

Weitere Statements der anderen Nominierten finden Sie hier.

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