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Das Radio der Zukunft „social“ machen

Marcus Engert vom Angebot vox.publica von detektor.fm Foto: Grimme-Institut / Arkadiusz Goniwiecha
Marcus Engert vom Angebot vox.publica von detektor.fm Foto: Grimme-Institut / Arkadiusz Goniwiecha
Marcus Engert vom Angebot vox.publica von detektor.fm Foto: Grimme-Institut / Arkadiusz Goniwiecha

Dazu ruft das Internetradio „detektor.fm“ einmal im Monat mit seiner interaktiven Sendung „vox:publica“ auf. Hörer können über Themen abstimmen und mit der detektor.fm-App eigene Beiträge erstellen, die in die Radiosendungen integriert werden. Mit dieser Form der Partizipation, die über die Diskussion in Foren, Blogs oder sozialen Netzwerken und E-Mail-Verkehr hinausgeht, schufen Marcus Engert und sein Team eine gänzlich neue Form des sozialen Radios. Dafür gab es eine Nominierung in der Kategorie „Spezial“.

Was war der Anlass für die Konzeption Ihres Angebots?
Vor ungefähr vier Jahren gelangten wir an einen Punkt, an dem wir die bisherige Radiolandschaft als zu gleichförmig, festgefahren und durchformatiert empfanden. Allgemein hatten wir den Eindruck, dass sich das Radio dem Medium Internet zu wenig zugewendet hatte. Auch heute finden wir die Mediendiskussion darüber, wie das Radio auch in Zukunft attraktiv bleiben kann, als unzureichend. Es gab daher bei uns Überlegungen, ein Radio in einer bestimmten Form im Netz zu etablieren. Unser Gründungsgedanke bestand darin, mehr auf Augenhöhe mit dem Hörer zu kommunizieren und nicht einfach weiter im Funkhaus zu sitzen und über die Mauer hinweg nur die klassischen Nachrichten und Musik an den Hörer auszusenden. Wir wollten den Hörer stärker einbinden, das Radio „social“ machen. Zufälligerweise kam vor anderthalb Jahren dann die Agentur frischr mit der Idee für eine App auf uns zu, weil sie jemanden suchten, der dafür Sendungen entwickelt und Inhalte gestaltet. Das war die Geburtsstunde unseres Sendeformates vox:publica. Sicherlich würde vox:publica ebenso ohne eine App funktionieren – über soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter und weil uns die Leute auch so mailen und faxen könnten. Die App erschließt jedoch einen gänzlich neuen Zugang. Die Hörer können mobil von überall zugreifen und etwas beisteuern. Nach dieser Konzeptionsphase ist unser Angebot aber noch nicht abgeschlossen. Wir sind ständig am Nachdenken, suchen nach neuen Ideen. Anders gesagt, sind wir ja noch mitten am Erfahrung sammeln, am Ausprobieren, schließlich ist es das erste Format dieser Art. Wir wissen selber nicht, wo uns das Ganze noch hinführt. Das ist ein fortlaufender Prozess. Wir sind wahnsinnig angetan davon, wie sich vox:publica entwickelt. Wir müssen durch die Hörereinbindung unheimlich flexibel sein, was etwa den Umgang mit Themen und Kritik angeht, aber so wird man gleichzeitig daran gehindert, nur im eigenen Saft zu kochen.

Was und welche Zielgruppen wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?
Wirklich jeden, nicht nur Nerds, Freaks und Blogger. Unsere Prämisse ist es, keinen durchformatierten „Dudelfunk“ anzubieten. Jeder soll teilhaben, weshalb wir unser Angebot so leicht verständlich und einfach wie möglich gehalten haben. Die Nutzer sollen keine Hürden spüren. Zudem wollen wir zeigen, dass das Radio in der ganzen Debatte über den Journalismus von Morgen, in diesem Veränderungsprozess, etwas Zukunftsweisendes aktiv mitgestalten kann und das, wie wir meinen, über die Partizipation der Hörer. Das erleben wir ja schon jetzt. Alle möglichen Leute, selbst ältere Menschen, keine Digital Natives, machen von zuhause, aus dem Wohnzimmer heraus, mit. Wir finden, dass sich das Radio zu lange passiv verhalten hat, beim Einstieg in die digitale Welt zu lange geschlafen hat und bisher zu wenig innovativ gewesen ist. Die Radiolandschaft kann so nicht weiterbestehen. Ansonsten droht die Gefahr, dass das Radio in Konkurrenz mit den neuen Medien untergeht. Dieser drohenden Entwicklung wollen wir mit vox:publica entgegensteuern. Wir wollen neue Dinge im Radio über die Integration des Internets ausprobieren, Experimente wagen, und selbst weitermachen, wenn mal etwas schief geht. Nur so gelingt Innovation.

Wie haben Sie reagiert, als Sie von der Nominierung erfuhren?
Ich weiß noch genau, dass es schon ziemlich spät war, so gegen sieben Uhr abends. Ich sah nur eine unbekannte Nummer auf meinem Telefondisplay und dachte, wer ruft denn jetzt noch an. Es war das Grimme-Institut, das mir die gute Nachricht überbrachte. Ich dachte, ich muss sofort die Bürotür schließen – die ist normalerweise immer offen. Es gab ja die Sperrfrist bis zur Bekanntgabe der Nominierten und eventuelle Gäste in unserer Redaktion sollten davon nichts mitbekommen. Wir kannten ja die Hinweise ganz genau, weil wir schon einmal nominiert gewesen waren. Schwierig war es also, dass wir die Freude noch eine Zeit lang geheim halten mussten. Dass man unserer Arbeit Qualität zuerkennt und uns mit einer Nominierung würdigt, macht uns stolz. Es ist eine Bestätigung für unsere Arbeit und Mühen, wir haben da richtig Herzblut reingesteckt. Der Grimme Online Award ist ein wichtiger Preis, ein externes TÜV-Siegel. Er zeigt, wo die Trends und Innovationen in der Online-Welt liegen. Das Tolle und zugleich Schwierige ist es ja, dass im Netz ständig unendlich viel Neues entsteht, dass sich jeder beteiligen kann, was aber für die Wissensgesellschaft von heute essentiell ist. Deswegen ist es so wichtig und eine gute Sache, dass Fachleute diese neuen Entwicklungen im Netz auf ihre Qualität hin begutachten, wie es durch den Grimme Online Award geschieht. Wer heute im Internet etwas „reißen“ will, der profitiert natürlich automatisch von so einer Auszeichnung.

Was bedeutet die Nominierung für die zukünftige Entwicklung Ihres Angebots?
Allzu konkrete Pläne haben wir noch nicht ausgeheckt. Im Herbst wollen wir aber die Webseite nochmal verbessern, das steht fest. Doch das bereits in unserem Gründungsgedanken verankerte interaktive Element wollen wir weiter ausbauen. Offenheit gegenüber den Hörern, ihre stärkere Partizipation, das soll auch künftig so bleiben. Unser einziges Problem ist, dass wir keine Kriegskasse für Innovationen und Experimente haben. So müssen wir uns zum großen Teil auf unser reines Bauchgefühl, unseren guten Riecher, was künftig gut funktionieren könnte, verlassen. Da schwingt immer ein großes Risiko mit. Durch die Nominierung glauben wir uns aber auf der richtigen Spur. Dieser angeheftete „Orden“ ist schon hilfreich, durch ihn hoffen wir, noch mehr Unterstützung und Aufmerksamkeit zu erhalten, was die Welt für uns sicherlich ein wenig einfacher und schöner machen würde – zumal ja auch alle anderen Radioleute von Erfahrungen profitieren können, die wir bei detektor.fm sammeln.

Wie vox:publica funktioniert und wie Radio mit neuen Medien und Hörern interaktiver und mutiger gestaltet werden kann, erzählt Marcus Engert hier:

Weitere Statements der anderen Nominierten finden Sie hier.

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