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Der Katastrophe ein Gesicht geben

Screenshot Keine Zeit für Wut
Screenshot Keine Zeit für Wut
Screenshot Keine Zeit für Wut

Zwei Jahre nach der Reaktorkatastrophe in Japan berichtet die multimediale Webdoku „Keine Zeit für Wut“ direkt aus dem Krisengebiet. Der NZZ-Reporter Marcel Gyr und der freie Fotograf Christoph Bangert erzählen, wie sie ins Krisengebiet reisten und warum es ihnen ein Anliegen war, den Menschen hinter der Schlagzeile “Atomunfall” ein Gesicht zu geben:

Was war der Anlass für die Konzeption ihres Online-Angebots?
Nach der Katastrophe in Japan mit Erdbeben, Tsunami und Atomunfall im März 2011 waren der freie Fotograf Christoph Bangert und ich als Reporter der NZZ im Katastrophengebiet rund um Fukushima unterwegs. Zwei Jahre später kam uns die Idee, die Leute, die wir damals getroffen hatten, noch einmal zu besuchen und zu schildern, was aus ihnen geworden ist. Neben dem persönlichen Schicksal der Betroffenen wollten wir am Beispiel der Porträtierten ganz konkret einzelne Aspekte der Katastrophe aufzeigen. Zu Hilfe kam uns dabei das Vertrauensverhältnis, das wir dank unserem Übersetzer Mitsuhiro Shoji schaffen konnten.

Was und welche Zielgruppen wollen Sie damit erreichen?
In erster Linie wollten wir der Katastrophe, die wie viele andere schnell aus dem öffentlichen Blickfeld gerät, ein Gesicht geben. Anhand der persönlichen Geschichten wollten wir relativ abstrakte Themen veranschaulichen: Entschädigungszahlung durch Tepco, Strahlenbelastung in Schulhäusern, Radioaktivität in Lebensmitteln, Wohnsituation der Evakuierten etc. Neben den theoretischen Ausführungen kamen wir immer wieder auf die ganz konkrete Situation der von uns besuchten Personen zurück. Als Zielgruppe für unsere Reportage sehen wir all jene Leute, die sich über die vereinfachenden Schlagzeilen hinaus über die Situation im Katastrophengebiet ein Bild machen wollen.

Wie haben Sie reagiert, als Sie von der Nominierung erfuhren?
Dass wir als Vertreter einer Schweizer Zeitung für die Nominierung berücksichtigt wurden, hat uns sehr gefreut. Wir sehen es auch als Anerkennung für die doch sehr intensive Arbeit, die wir während eines Monats praktisch rund um die Uhr geleistet haben. Für die Recherche weilten wir im Februar zunächst zwei Wochen in Japan, gleich anschließend folgte während zwei weiterer Wochen die Produktion in Zürich. Wir wollten die Arbeit unbedingt bis zum Jahrestag der Katastrophe am 11. März abschließen, was uns schließlich auch gelang.

Was bedeutet die Nominierung für die zukünftige Entwicklung Ihres Angebots?
Die Web-Reportage „Keine Zeit für Wut“ war in verschiedener Hinsicht ein Pionierprojekt für die „Neue Zürcher Zeitung“, die in der Schweiz, in Anspielung auf deren Traditionsbewusstsein, oft auch als „alte Tante“ bezeichnet wird. Erstmals hat die NZZ für eine Reportage einen derart großen Aufwand betrieben, indem sie die Informationen mit Videos, animierten Infografiken und weiteren digitalen Elementen aufbereitete. Dafür verantwortlich war ein externes Team von Interactive Things, mit dem wir hervorragend zusammengearbeitet haben. Das Projekt war nicht zuletzt auch in finanzieller Hinsicht eine mutige Entscheidung. Umso mehr freut es uns, dass die Arbeit auf ein derart großes und positives Echo gestoßen ist. Dazu gehört natürlich auch die Nominierung für den Grimme Online Award. Als Reporter hoffe ich, die Verantwortlichen der NZZ werden durch diesen Erfolg darin bestärkt, auch in Zukunft in solch aufwendige Projekte zu investieren.

Weitere Statements der anderen Nominierten finden Sie hier.

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