Fahrt durch eine berüchtigte Straße
Heute eine weitere Folge unserer Interviews mit Nominierten des Grimme Online Award 2012. Diesmal mit Sibylle Winter, die mit der Webdokumentation 360° Langstrasse in der Kategorie Kultur und Unterhaltung nominiert ist.
Was ist die Idee hinter Ihrem Online-Angebot?
Die Webdokumentation www.360langstrasse.sf.tv entstand gemeinsam mit der TV-Dokumentarserie „Zürich Langstrasse – Das verrückteste Quartier der Schweiz“. Das Ziel der Website ist es, dass der User diese berühmteste und berüchtigtste Straße der Schweiz selbst erkunden kann und zwar genau aus der Perspektive eines Fahrrad-, Vespa- oder Autofahrers, der bei Tag oder bei Nacht mitten durch das Quartier fährt.
Wir wollten die Menschen zeigen, die in diesem Viertel leben und arbeiten. So entstand eine Momentaufnahme des derzeit wohl spannendsten Lebensraumes der Schweiz. Hier treffen Kunst und Kommerz, Milieu und Menschlichkeit aufeinander. Die Interviews mit einer stadtbekannten Architektin, die Milieu-Immobilien aufkauft, saniert und an urbane Hipster neu vermietet, zeigen die Folgen der Gentrifizierung. Die alt eingesessenen Bewohner und Kenner dieses Stadtteils beobachten die Veränderungen mit Argwohn, beispielsweise die Vertreterin eines Frauenhauses. Sie fürchtet, dass das Milieu an die Stadtränder gedrängt wird und nur noch einige Prostituierte aus dekorativen Zwecken im Herzen der Stadt bleiben dürfen. „360° Zürich Langstrasse“ ist eine klassische Reportage, die mit den Stilmitteln des Webs, die Geschichte einer Straße im Umbruch erzählt. Der Redaktion DOK ist es wichtig, die Qualitäten einer klassischen TV-Dokumentation zu bewahren und gleichzeitig im Web eine eigenständige Erzählweise zu entwickeln. Wir möchten Realität zeigen, nicht „reality“ und erst recht nicht „scripted reality“. Mit dieser Einstellung sind wir gerade dabei neue Webdokumentationen parallel zu unseren TV-Produktionen zu erarbeiten.
Was macht die Qualität Ihres Angebots aus?
Die Dokumentation nutzt die neuesten Stilmittel des Web. Die Seite ist in HTML 5 programmiert und ermöglicht so ein kaum gekanntes Usererlebnis. Man taucht ein in die Straße, die Panoramabilder und die großformatigen Videos ermöglichen eine große Nähe zu den Bewohnern des Stadtviertels. Die Live-Tweets visualisieren das ständige Geplauder entlang der Straße und vermitteln den Eindruck im Augenblick vor Ort zu sein. Auch die Reaktionen der User, die sich via Twitter äußern, sind unmittelbar sichtbar. Auf diese Weise zeichnet sich die Website durch ein hohes Maß an Authentizität aus. Das Dokumentarische steht so ganz im Mittelpunkt.
Welche Websites können Sie, außer Ihrer eigenen, empfehlen?
Eine wundervolle Webdokumentation ist die kanadische Seite „Bear 71„. Auf den Spuren eines Bären entdeckt der User den Banff Nationalpark auf eine ganz ungewohnte Art und Weise. Sehr gut gefällt mir auch die Webdokumentation „Manipulations“ von France 5. Hier wird die Clearstream-Affäre wie ein interaktiver Krimi neu aufgerollt. Toll finde ich auch die beiden Tippex-Kampagnen, weil sich hinter einem vermeintlich gewöhnlichen YouTube-Video eine Vielzahl an Geschichten versteckt: 2010 Tippexperience; Tippexperience 2.
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